Vorgestellt: Eine Frau, mit der sich die Begegnung lohnt

Die namenlose Frau, die Jesus salbt (Mk 14,3-9):

„Wo das Evangelium verkündet wird, wird man erzählen, was sie getan hat, zu ihrem Gedächtnis!“

In Mk 14 sind wir an einer ganz wichtigen Nahtstelle: Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem, d.h. auf dem Weg zum Kreuz. Vor der Szene mit der Frau haben die Hohepriester und Schriftgelehrten den Beschluss gefasst, Jesus zu töten – nach der Szene wird Judas aktiv, um Jesus auszuliefern. Dazwischen erfahren wir, dass Jesus im Haus des Simon zu Gast ist. Eine Frau kommt mit einem Alabastergefäß und kostbarem Nardenöl und salbt den Kopf Jesu. Einige kritisieren sie heftig dafür: Das Geld hätte man besser den Armen geben können. Aber Jesus stellt sich hinter die Entscheidung der Frau und gegen die vermeintliche Option für die Armen. Sicher ist es kein Zufall, dass es in der anschließenden Szene wieder um Geld geht: Judas bekommt Geld dafür, dass er Jesus ausliefern will (Mk 14,11). Die Frau mit ihrer Investition für Jesus ist also keine Verschwenderin, sondern ein positiver Kontrast zu Judas!

Jesus verheißt: „Auf der ganzen Welt, wo das Evangelium verkündet wird, wird man auch erzählen, was sie getan hat, zu ihrem Gedächtnis.“ Warum rückt Jesus die Frau so ins Zentrum? Die Frau ist nicht nur ein Gegenentwurf zu Judas. An der Nahtstelle zur Passion macht sie deutlich, was später bei der Kreuzigung ausdrücklich der Hauptmann in Worte fasst: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn!“ (Mk 15,39). Denn die Frau salbt ausgerechnet den Kopf Jesu. Das erinnert an eine Königssalbung. Die Frau, von der kein einziges Wort überliefert wird, zeigt: Sie weiß, wer Jesus ist, nämlich der König, auf den es wirklich ankommt. Die scheinbaren Mächte dieser Welt zählen nicht. Was zählt, ist die Macht Gottes, die sich durchsetzt, auch wenn Menschen am Ende sind. Jesus deutet ihre Salbung als Vorwegnahme für sein Begräbnis – und ihre Zeichenhandlung als Verkündigung. Wenn die Frau Jesus salbt, liegt eine österliche Ahnung in der Luft.

Dieses Jahr haben wir Lesejahr B. Das heißt, das Markusevangelium steht im Zentrum der Sonntagsgottesdienste. Am Palmsonntag hören wir die Passion, wie sie das Markusevangelium überliefert. Sie beginnt mit der Szene von der Salbung durch die namenlose Frau. Wir kennen ihren Namen nicht. Sie macht keine großen Worte. Sie hat scheinbar keine Hauptrolle. Aber genau sie versteht und tut, worauf es ankommt. Die Erinnerung an sie macht uns Mut: Worauf es wirklich ankommt, braucht manchmal eher Gesten als Worte. Und geschieht oft durch Menschen, die nur scheinbar eine Nebenrolle haben und deren Namen nicht genannt wird!                                  

Hildegard Gosebrink